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Die Deutungshoheit

Wenn der französische Philosoph und Romancier Alain de Benoist seine Kritik an den Menschenrechten übt verwendet er dabei Begriffe wie beispielsweise "Linke", "Liberale", "Konservative" und "Universalisten". Seine Denkweise kategorisiert und seine Begrifflichkeit selektiert in Rubriken. Diese "Schubladen-Denken" ist jedoch genauso obsolet geworden wie die von ihm benutzten Bezeichnungen für geschichtlich überkommene politische oder ideologische Strömungen.

Wer auch immer gegenwärtig im "rechts-links-Schema" verhaftet bleibt und argumentiert. Wer auch noch weiterführend von Klassen oder Ständen spricht, den Klassenkampf erträumt oder solchen Chimären wie einem "realexistierenden Sozialismus" oder einem "Nationalsozialismus 2.0" hinterher  jagd. Wer andererseits von "linksliberalen", "neokonservativen" oder"neofaschistischen" Ideologien oder Gefahren resümiert ist genauso in der Vergangenheit gefangen, wie die von ihm  bezeichneten "ewig gestrigen"über die er meint urteilen zu dürfen.

Alle Termini die oben genannt wurden haben übrigens ihren Ursprung im 19. und 20. Jahrhundert.

 

Wenn man also in Anbetracht der Verwendung solcher Begrifflichkeiten und der Absicht dahinter auf gleichem Niveau argumentieren will, sollte man immer seinen Diskussionspartner auf diesen Umstand hinweisen und ihm den Vorschlag eines gemeinsamen Ausgangpunktes anbieten. Diese gemeinsame Basis wäre zum Beispiel der Terminus "Mensch" oder "Menschheit" von dem beide Kontrahenten ihre Meinungen in gleicher Augenhöhe ausfechten können.

Inflationär benutzte "Totschlagargumente" , die mittels stigmatisierender Etikettierung einen jeglichen Diskurs bereits an seinem Anfang im Keim ersticken wären somit hinfällig und bei wiederkehrender Anwendung ein entlarvender Moment für seinen Anwender.

 

Es ist ohnehin ermüdend in der heutigen Diskussions(un)kultur immer wieder gegen dieselbe Borniertheit und moralinsaure Gutmenschelei ankämpfen zu müssen, die einen offenen Austausch nicht selten unmöglich macht. Wenn man, so wie ich solche Gesprächsrunden in der Vergangenheit in den Medien beobachten  durfte und nun aufgrund der gemachten Erfahrung deren wahre Mechanismen erkannt hat, wendet sich immer öfter angewidert von dieser Form des betreuten Denkens ab und sucht nach Auswegen aus diesem Dilemma.

Manche finden diesen Ausstieg indem sie sich in ihre eigene Echokammer zurückziehen, was aber keineswegs eine Lösung sondern eher als Kapitulation gewertet werden kann.

Zielführend ist solch ein Dissidententum keineswegs und man würde es dem Gegner nur allzuleicht machen, ihm auf diese Weise das Feld zu überlassen.

 

Im 21. Jahrhundert scheint es vielmehr angebracht mit alten, überkommenen nicht mehr zutreffenden Begriffen oder Termini zu brechen und neue Definitionen zu schaffen, die die Lebensrealität so vieler Millionen sehr viel zutreffender beschreibt, als diese antiquierten Ausdrucksformen einer längst vergangenen Epoche.

 

Als Beispiel möchte ich die Vorstellung von einem Klassen- oder Ständemodell anführen, welches völlig unzeitgemäß geworden ist.

Nicht Klassen oder Stände, sondern zahlreiche soziale Milieus kennzeichnen beispielsweise unsere Gesellschaft, deren Grenzen keineswegs unüberwindbar sind.

 

Ausgebeutet wird in unserer Zeit nur der, welcher sich ausbeuten lässt. Anders gesagt ist die Entstehung eines solchen Prekariats nicht das Resultat einer dominanten, ausbeuterischen oder sonst wie gearteten Oberschicht, sondern die freie Wahl eines an Degeneration grenzenden Milieus mit niedrigem Bildungsstand. Ursachen dafür bilden nicht nur allein die soziale sondern auch immer häufiger die kulturelle Herkunft der betroffenen Gesellschaftsschicht.

 

Der Ausweg und die Möglichkeit sich aus diesem bildungsfernen Prekariat selbstständig herauszuarbeiten ist jedoch stets gegeben.

Mit Eigeninitiative, Fleiß sowie Beharrlichkeit, also typisch deutschen Tugenden, kann jeder aus diesem Milieu entkommen und beispielsweise in das Bildungsbürgertum wechseln.

Es bleibt somit jedem selbst überlassen seine persönliche Zukunft zu gestalten, keiner wird gezwungen und jeder ist somit seines Glückes Schmied.

 

Nicht "links" noch "rechts" oder eine ebensolch antiquierten politische Mitte mit ihrer diffus "schweigenden Mehrheit" unterteilt die Menschen in diesem Land. Auch ist die Sezession in "Arm" und "Reich" ein befriedigendes Abbild unserer Gesellschaft.

Alle die Formulierungen spalten nur noch mehr, erzeugen noch größere Verwerfungen in unserem Bürgertum und teilen die Gemeinschaft in widerstreitende Lager, deren Energie und Kraft in überflüssigen Konfrontationen gegeneinander verpufft.

 

Die Lösung liegt dabei im wahrsten Sinn des Wortes in der Befreiung von der oben erwähnten Etikettierung. Löst man sich von überkommenen Floskeln und ersetzt diese durch neue Platzhalter und Termini kann man den lähmenden Diskussionsrunden, die immer wieder um denselben toten Punkt kreisen, entkommen und erlangt erst dadurch die Deutungshoheit im jeweiligen Diskurs.

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